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>> „pink ranch“
1996
>> “sponsered by...“ 1996
>> „figure in the carpet“ 1997
„pink
ranch“ // Installation // 486 rosa Viskosesäcke gefüllt mit Papier,
aufgebaut zu einem begehbaren Raum // ca. 4 x 5 m // 1996 //
Diese Rauminstallation ist im Wortsinn spektakulär:
sie ist fürs Auge gemacht, sie ist auffallend, sie ist raumgreifend,
denn sie leuchtet.
486 Stoffsäcke sind aufeinandergeschichtet zu einem offen begehbaren
Raum. Es leuchtet, wenn man die Räume der Galerie betritt, alles
scheint rosa. Die Stoffsäcke haben eine Ausstrahlung, die nicht,
wie bei anderen Kunstwerken, “intuitiv erfassbar wird oder die
sich qua intellektueller Reflexion erschließt. Nein - diese
Installation ist ein Reiz - zuallererst ein optischer Reiz. Niemand
kann sich diesem Reiz, dieser Ausstrahlung entziehen. Ein reizendes
Werk, das direkt auf das Auge wirkt, um sich sodann, ganz ambivalent,
im Hirn zu verorten. Denn reizend ist Rosa, aber reizend ist geballtes
rosa.
Im Akt des Sehens, der hier ein optischer Akt der Affektion ist, werden,
nolens volens, die divergierenden Bedeutungen des Wortes “reizend”
gleichzeitig aufgerufen. An Zuckerguss und Lieblichkeit und Süße
- reizend, denkt man kurz an das Zuviel, das unerträgliche Übermaß.
Das reizt, das ärgert. So geht das provozierende Potential der
Installation offenbar von dem Knoten im Kopf aus, der durch ein optische
Attacke auf die Sehnerven ausgelöst wird. Interessanterweise
ruft diese Attacke eine partielle Blindheit hervor. Man ist ganz spontan
geneigt, das Außen und das Innen der Installation getrennt zu
deuten.
Wobei der Anblick der Außenwand an Krieg, Barrikaden und Verharmlosung
von kriegerischen Mitteln durch medialen Dauerbeschuss denken lässt.
Beim Betreten des Innenraums hingegen fungiert nicht die Medien-,
sondern die Innenwelt als Fokus der Reflexionen: Beklemmung stellt
sich ein, verdrängte Ängste werden wach, das Ich ist umschlossen,
bedroht?
Es scheint die Ausstrahlung zu sein, die diese unterschiedlichen Deutungen
evoziert, denn ein didaktischer Impuls ist der Installation nicht
eingeschrieben. Bei diesem Raum gibt es keine materielle Trennung
von Innen und Außen. Die Textur der Installation liegt völlig
offen, sie lässt an Baukasten- oder Legospiele denken.
Der kompakte Raum behauptet sich zwar jetzt und hier, von Dauer ist
er jedoch nicht. Kein Denkmal (!) also, sondern ein Zeit-Raum ist
hier entstanden. Und dieser Zeitraum spiegelt sich weder in der Medien
noch in der Innenwelt seiner Betrachter, sondern in der Umwelt seinem
Kontext und das ist ein Kunstraum, die Galerie.
Ein Galerieraum wird von einem Kunstwerk völlig ausgefüllt
und es entsteht eine Leerstelle, umhüllt von rosa Säcken.
Diese Leere verdankt sich einem Schöpfungsakt, der die Urszene
künstlerischen Schaffens wiederholte. (Seit Platon hat die Baukunst
bekanntlich paradigmatische Bedeutung für alle anderen Künste).
Der Künstler also ein “Baukünstler”, der Akt
der Schöpfung ein Zitat und das Produkt? Die Installation zeichnet
die Konturen eines Kunstraumes nach, folgt seinen Raummaßen,
sie imitiert; verortet nur den Eingang neu, und eröffnet so einen
anderen Zugang für den Kunstraum. Es wird nun möglich, in
der Leere des verschwundenen Kunstwerks zu denken; zu fragen, ob dieser
und jener Raum eine Arche oder ein Tempel sei. Sammelstelle oder heiliger
Ort - oder aber nur eine fragile, archaische Konstruktion.
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“sponsered
by...“ // Installation //
100 View-Master mit Drehscheiben //
1996 //
sponsored by Tyco toys Wir
sehen View MASTER der Fa. Tyco Toys, ca 100 Stück und sie ähneln
roten Ferngläsern. Die Show die man mittels Schaffung einer
3-D-Perspektive sehr realistisch bewundern kann, ist eigentlich
für Kinder geschaffen (und zeigt für diese Klientel auch
Prinzen und Monster).
Man hält sich den View-Master vor die Augen, schaut hinein,
zieht and er rechten Außenseite einen schwarzen Hebel nach
unten, der eine Scheibe mit Dias im Innern des View-Masters weiterschiebt.
Natürlich ist es möglich die Dias der Märchenfeen
oder Monster mit Dias von Menschen und Sehenswürdigkeiten zu
tauschen. Gemeinsam ist ihnen jedoch, daß man sich mit diesem
Apparat, der Illusion hingeben kann auf einem Platz zu stehen, oder
dem Tod einer Prinzessin beizuwohnen.
Aber nicht nur die Illusion, das Phanthasma des “Dort seins”,
sondern vor allem ein Einblick in die Zeit, in eine belichtete Zeit
ist sehenswert. Die Linse öffnet sich, der Belichtungsmesser
ist den Lichtverhältnissen angepasst und zeichnet nun auf den
eingelegten Film das im Sucher dargestellte Objekt - mehr nicht.
Ein Ausschnitt, eine Sequenz, ist gewählt worden, die Ränder,
die Grenzen des Fotos werden durch das Objektiv und letztendlich
durch das Format des Films bestimmt.
In seinen Gesprächen mit Paul Gesell über den unwiderlegbaren
Zeugnischarakter der Photographie, erwidert Auguste Rodin: “Nein,
es ist der Künstler, der wahrheitsgetreu ist, und die Photographie
die lügt, denn in der Realität steht die Zeit nicht still,
und wenn es dem Künstler gelingt, den Eindruck einer Geste
zu vermitteln, die in mehreren Augenblicken ausgeführt wird,
dann ist sein Werk sicher sehr viel weniger konventionell als das
wissenschaftliche Bild, bei dem die Zeit jäh unterbrochen wird”.
Jedoch wird nicht, wie Rodin damals noch glaubte die Zeit angehalten,
sondern die Zeit der Darstellung der Bewegung auf der Oberfläche
der Aufnahme archiviert, festgehalten. Die Oberfläche fungiert
als Speicher der Zeit, als Dokument, als Beweis einer Zeit die eine
60tel Sekunde, eine programmierbare Belichtungszeit gedauert hat.
Diese 60tel Sekunde ist dem Foto eingeschrieben, es ist ihm als
bestimmte Lichtqualität beigegeben.
Die Oberfläche des eigentlichen Fotos bemisst nur wenige 10tel
Millimeter, denn nur die äußerste Schicht des Fotos ist
für diesen Prozess phototechnisch beschichtet. Diese Schicht
fungiert als Zeitverzögerer, der zwar einen Ausschnitt einer
realen Zeit wiedergibt, diese aber nicht angehalten hat, sondern
nur abgelichtet hat. Was ich nun sehen kann ist ein Stillstand,
eine Ausnahmesituation, ein Panoptikum von Gegenständen, die
wie festgefroren, immer an der gleichen Stelle verharren.
Jim Jarmuch erzählt in seinem Film “Smoke” die
Geschichte des Tabakwarenhändlers August. August, passionierter
Hobbyfotograf fotografiert immer zur selben Tageszeit sein Geschäft.
Im Laufe der Jahre hat sich aus diesen Fotos die in Alben archiviert
werden eine Art Film entwickelt. Eine Langzeitstudie über die
Veränderungen einer Straße. Der Fotoapparat ist eine
hilfreiche Prothese, die es mir erlaubt, meine Erinnerungen auszulagern
und sie einer Maschine zur Archivierung zu überlassen –
“ein mnemotechnisches Auge“. Sie gibt das wieder, das
ich nicht erinnern kann, winzigste Details, oder gibt mir den definitiven
Beweis meiner ehemaligen, vergangenen Anwesenheit. Sie sieht etwas
das ich nicht zu sehen vermag. In Michelangelo Antonionis Film “Blow
up” gerät die Kamera des Hauptdarstellers David Hemmings
auf die Spur eines Mordes, oder konstruiert die Kamera einen Mord,
den es nie gegeben hat?
Wie wirklich ist das Foto, das mich zeigt, in Rothenburg ob der
Tauber, in Heidelberg oder Neuschwanstein - diese Symbiose mit einem
Dokument der eigenen Vergangenheit, die wir nur eingehen um zu dokumentieren,
daß wir als nicht Anwesende immer die Möglichkeit der
Anwesenheit bereit halten. Der Blick, der sich auf Gegenstände
richtet, die millionenfach abgelichtet wurden und nun durch unsere
Anwesenheit eine Perspektive erhält, die es uns erlaubt, dem
öffentlichen Raum unsere Privatheit beizugeben. Diese Dokumente
jedoch, sind nicht tauglich für eine Erinnerung, sie sind angewiesen
auf unseren Blick. Aber diese Sichtweise auf unsere eigene gelebte
Wirklichkeit, erfordert einen Blick, den es nicht gibt.
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„figure in the carpet“ // Installation // verschiedene aufblasbare Latexobjekte, (Hängetaschen, Liegeobjekte) // runder Teppich: Smyrna auf Stramin // Sideboard: Smyrna auf Stramin // 1997 //
So erratisch wie die verglühten Reste
einer Raumstation auf grönländischem Inlandeis wirkt die
Installation
“the firgur in the carpet” die vom 9 April bis zum 8.
Mai in den Räumen der Kunststiftung Baden-Württemberg
in Stuttgart (Gerokstr. 37) zu sehen war.
Verschmelzend verbunden mit dem Raum zugleich fremd, eröffnet
sich den Blicken ein unheimlicher Dialog zwischen braunen, aufgeblasenen
Latexobjekten, die vielleicht als Polster, Matratzen, Kissen und
Spiegel identifiziert werden können, sowie zwei Teppichen,
der eine weiß mit einem breiten braunen Saum, der andere rund
mit einem Muster, das an Holzdielen erinnert. Zwischen Kälte
und Wärme, zwischen Gummizelle und Behaglichkeit, zwischen
Realien und Sur-Realien könnte sich der Betrachter bewegen,
wenn er sich nicht schon durch einen kruden Appell im Vorraum von
der Verpflichtung des Schauens entbunden fühlt: “Verpiss
dich” gibt uns dort der Künstler in Latex zu lesen und
man könnte geneigt sein, die Aufforderung dankend anzunehmen.
Denn weder Schönheit noch Sinn offenbaren sich hier dem Augenblick.
Der Gedanke liegt nahe, dass diese Installation in schnöder
Selbstbezüglichkeit existieren will. Genau dieser Befund aber
antizipiert das Urteil, das ratlose Rezipienten, die ihre Zielvorstellung
im Aufdecken der Bedeutung des Kunstwerks verortet haben, häufig
fällen: was sich zu sehen gibt, ohne verwortbar zu sein, gilt
bestenfalls als “l`art pour l`art.
Kein Betrachter, der den der Installation vorangestellten “Appell”
ernst nimmt und geht, wird jedoch noch von “l´art pour
l`art” sprechen können, hat er sich selbst doch in ganz
ungewöhnlicher Weise von einem Kunstwerk affizieren lassen.
Und nur der, der sich widerständig verhält, indem er den
Sinn des Schriftzugs überliest, wird etwas zu sehen bekommen.
Wie schon bei der Rauminstallation “pink Ranch” die
derzeit bei der Wanderausstellung der Stipendiaten, Baden-Württemberg,
zu sehen ist, verwickelt Daemen die Betrachter auch hier in eine
komplizierte Interaktionssituation.
Während dort 486 Stoffsäcke den Doppelsinn eines “unendlich
reizenden Schmerzes (Novalis) erfahrbar werden lassen, wird der
Betrachter bei “the firgur in the carpet” aufgefordert
zu entscheiden, ob er schauen, glauben, handeln oder deuten will.
Die Installation stellt nichts dar, sondern schafft Orte, Winkel,
Zwischenräume, denen der Betrachter mit Interesse begegnen
kann. Ganz konkret nimmt Daemen Bezug auf die gleichnamige Erzählung
von Henry James “the figur in the carpet” von 1896.
James macht in dieser Erzählung die Suche nach der verborgenen
Bedeutung eines Textes zum Thema. Den Sinn der Erzählung kann
der Leser nur erfassen, wenn er orientierende Perspektiven aufgibt,
gegen eigene Vorurteile liest und bereit ist zu akzeptieren, dass
der Sinn, den er sucht, genau das ist, was nicht diskursiv erfassbar
ist.
Nur als Bild, als “the figur in carpet” könnte
Sinn sichtbar sein. Was James in luzider Voraussicht als ein Problem
der Rezeption von Texten beschrieben hat - die Wut des Verstehens
und die mit ihr einhergehende Blindheit wird bei Daemen als außerordentlich
zeitgemäßes Problem der Kunstbetrachtung anschaulich:
Die komplexe Filiation von Schriftzug, “identifizierbaren”
und “fremdartigen “Objekten verhindert, das das Werk
in einer Diskursiv repräsentierbaren Bedeutung fassbar wird.
Die Installation ist in keinem Augenblick verfügbar, auch wenn
einzelne Objekte Verfügbarkeit im Sinne von Bestätigung
signalisieren. Ähnlich wie die Schrift wäre auch der runde
Teppich lesbar- als Abbild von Holzdielen. Diese Entdeckung aber
wäre so durchsichtig, daß ein vom Entdecken des Verborgenen
geleiteter Interpret brüskiert werden muß.
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