„Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
„Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
Quartier“ // Stadtteilkünstler im Rieselfeld (Freiburg) // 2000
“sponsered by...“ // Installation // 100 View-Master mit Drehscheiben // 1996 //
“sponsered by...“ // Installation // 100 View-Master mit Drehscheiben // 1996 //
„figure in the carpet“ // Installation // verschiedene aufblasbare Latexobjekte, (Hängetaschen, Liegeobjekte) // runder Teppich: Smyrna auf Stramin // Sideboard: Smyrna auf Stramin // 1997 //
„figure in the carpet“ // Installation // verschiedene aufblasbare Latexobjekte, (Hängetaschen, Liegeobjekte) // runder Teppich: Smyrna auf Stramin // Sideboard: Smyrna auf Stramin // 1997 //
„figure in the carpet“ // Installation // verschiedene aufblasbare Latexobjekte, (Hängetaschen, Liegeobjekte) // runder Teppich: Smyrna auf Stramin // Sideboard: Smyrna auf Stramin // 1997 //
„figure in the carpet“ // Installation // verschiedene aufblasbare Latexobjekte, (Hängetaschen, Liegeobjekte) // runder Teppich: Smyrna auf Stramin // Sideboard: Smyrna auf Stramin // 1997 //
  quartier - stadtteilkünstler im rieselfeld 2000


>> text: rent a jacket, rent a house, rent a PC or TV, rent a dog, rent a car, “rent an artist”

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I. Zur Analyse der Situation
Ein neuer Stadtteil, der an die Peripherie von Freiburgs-Mitte gebaut wurde: das Rieselfeld. Ein neuer Stadtteil, der die Möglichkeiten es modernen und zeitgerechten Wohnens in neuartiger Weise berücksichtigt. Der neue Stadtteil Rieselfeld: ein Versuch, die Gefahr der Ghettoisierung von Randbebauung durch eine offensive, nach allen sozialen Bedürfnissen ausgerichtete Wohnraumherstellung zu vermeiden. Das Rieselfeld – ein Experiment, neues zeitgerechtes Wohnen mit sozialen Bedürfnissen zu koordinieren.

II. Was will das Neue?
Das Besondere an der in der Neuzeit verbreiteten Auffassung des Neuen besteht ja gerade in der Erwartung, es werde schließlich etwas so endgültig Neues in Erscheinung treten, dass es nach ihm nichts noch Neueres mehr geben könne, sondern nur noch die uneingeschränkte Herrschaft dieses allerletzten Neuen über die Zukunft.“ (Boris Groys: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, München/Wien 1982) Gerade im Blick auf den neuen Stadtteil Rieselfeld wird deutlich, wie problematisch diese Auffassung des Neuen ist, muß der Stadtteil doch zukünftig seine Neuheit preisgeben, damit das Experiment gelingt. Dem Neuen entgegengesetzt ist die Identifikation (mit dem eigenen Stadtteil), bzw. die Integration (in die Gesamtheit der Stadt Freiburg).

III. Das Neue darf nicht ewig sein
Zwischen der euphorischen Bestimmung des Neuen als innovativer Fortschritt und dem völligen Verschwinden des Neuen (hier verbergen sich natürlich in nuce zwei divergierende geschichtsphilosophische Auffassungen, verkürzt mit den Schlagworten Moderne versus Postmoderne wiedergegeben) – bleibt die Faszination des Neuen im positiven Sinne als Wahrnehmung des Anderen, als Wahrnehmung dessen, was befragbar bleibt, offen für wertsetzende Deutungen, für eine Sehweise, die das Konstrukt des Neuen nicht nur als eine chronologische Abfolge von vorgefertigten Parametern beschreibt.

IV. Der Alltag als das Neue
„Alltäglich ist das, was alle Tage geschieht, was uns deshalb nicht überrascht und dem wir mit Gewohnheit, mit habitualisierten Vollzügen begegnen können“. (Hans Paul Bahrdt, Grundformen sozialer Situationen, München 1996) Der Alltag als eine Abfolge von ritualisierten und eingeübten Handlungs- und Begriffsweisen ist jedoch der Garant und der Ausgangspunkt für das Neue. Das „Neue“ wird in dem Kontext als Neues, als eine Störung wahrgenommen. Dieses „Neue“ bedarf einer Definition, einer Struktur, die man als Neugierde, als einen Zeit/Raum zwischen Differenz und Identität bezeichnen kann. Diese Neugierde macht es möglich, dass das „Neue“ dem Alltag in anderer Form und anderer Struktur wieder zurückgegeben wird, geschenkt wird.

 
 
 
     
     
   

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Anruf genügt: Ein Mann für alle Fälle


„Rent an artist“: Swen Daemen stellt seine Arbeit als Stadtteilkünstler im Freiburger Rieselfeld vor.
Auf einem Tisch liegt dies und jenes. Der Einkauf eines Tages und eben da hampelt ein Kind ins Bild. Hier ist gerade frisch gestrichen. Auf einem Fliesenboden dort stehen Scheuereimer und Schrubber parat. Das da ist übrigens eine chinesische Säge. Impressionen aus dem Alltag. Ort des Geschehens ist der neue Freiburger Stadtteil Rieselfeld. Was den Gegenstand der Fotos aus der Beliebigkeit heraushebt ist, dass es die Fotos gibt. Die Tatsache: dass einer mit dem Interesse des Zeugen dahintersteckt. Swen Daemen versteht sich als eine Art Feldforscher. Daemen ist Künstler – hier in der Rolle des Stadtteilkünstlers im vom E-Werk betreuten Projekt „Quartier“.

Ziel des Unternehmens ist es, alternative (das heißt, möglichst kommunikative) Varianten für Kunst im öffentlichen Raum zu finden. Abzuweichen von dem Schema, das den Stadtbewohnern eine Rolle ganz am Schluss – als stumme Betrachter unveränderlicher „Werke“ zuweist. Hier sollte einmal Kunst kein Atelierprodukt sein. Swen Daemen nahm den Vorsatz in seinem Beitrag nun besonders wörtlich: „Rent an artist“.

Der Künstler als Laufbursche und Handwerker

An die 800 Handzettel hat er zusammen mit dem E-Werk Koordinator Christopf Schneider in Rieselfeld-Briefkästen gesteckt – und noch dem ein oder anderen in die Hand gedrückt. Ein Künstler steigt vom hohen Ross, ist sich für nichts zu schade und offeriert ganz schlicht seine Arbeitskraft. Ungewöhnlich ist das heute nicht. Kunst als Dienstleistung, als sozial verortete Praxis. Gar nicht so wenige Künstler laufen ja, der allzu heftig gründlich gepflegten Autonomie ihrer Sache müde, mittlerweile auf diesem Gleis.

Daemen ließ sich von den Leuten sagen, was im einzelnen zu tun sei. Und das war allerhand. Man soll nicht denken, dass die Arbeit ein schieres Vergnügen war. Sie wollte ja ernsthaft erledigt sein gratis, aber effektiv. Von Happening war nicht die Rede. Da tat einer als Handwerker, Laufbursche und Babysitter sein Bestes. Im fliegenden Rollentausch. Hier war ein Boden zu scheuern, da ein Zwischenboden überm Klo zu installieren. Und dann immer diese Fragen, davor, danach und nebenbei. Warum machen Sie das? „Ich möchte nah am Alltag dran sein“, sagt der Künstler. Und wo bitte bleibt die Kunst? Das wäre auch eine Frage. Aber genau besehen ist es ja gar nicht so, dass jede Kunst-Grenze einfach weggewischt und die Kunst hier der Beliebigkeit überlassen ist. Denn wie die Verrichtung die ihm aufgetragen wird auch aussieht, eine Rolle behält der Künstler auf seinen Ausflug in den Alltag ja eben bei: die des Rechercheurs. Der Fotoapparat ist immer zu Hand – ein Indiz für die kleine, aber signifikante Distanz des Betrachters gegenüber dem Beobachteten, des Dienstleistenden gegenüber dem Dienst. Und der Forscher mit Bohrer, Säge, Einkaufstüte und Kamera ist kein Soziologe, sondern er denkt als Künstler in Bildern. Nach den Fotos, die er gesammelt hat, zeichnet er, und zur Finissage des Auftritts im Stadtteil soll ein Video gehören.

Auch im Kunstverein im Marienbad will der Ex-Freiburger Daemen, der jetzt in Berlin lebt, später im Jahr eine Recherche in einen poetisch hingetupften Rahmen fügen. In der Halle herumflatternde Schmetterlinge werden per Bewegungsmelder Videotapes aktivieren, die weiträumig ums Thema „Orientierung“ kreisen: Orientierung der Pferde beim Pferderennen, Interaktion eines Paares beim Tanz – sowie der Protagonisten in Jack Kerouacs Kultroman „Unterwegs“, deren planlose Ortswechsel sich doch immer wieder zu Begegnungsmustern fügen.

Eine Offenheit der Orientierung. Auf das Phänomen der Ungebundenheit, der überraschend locker gestrickten Lebenspläne ist Daemen auch bei seinen Auftraggebern im Rieselfeld gestoßen. Die Leute – die neue Wohnung mag schön sei, wie sie will – richten sich in Freiburgs Westen nicht für immer und ewig ein. Sie sind nur auf Abruf da. Im Schlafzimmer wartet der Koffer.

Mit dem Kunstbegriff allerdings steht es anders. So offen, wie ihn „Rent an artist“ fortführt, stößt er doch immer auf Verwunderung, wenn nicht gar Scheu – selbst bei diesen rundherum aufgeschlossen wirkenden Menschen, von denen viele den Künstler denn auch gar nicht als Handwerker und Helfer zweckentfremden, sondern als den engagieren wollen, der er eigentlich ist. Erstaunlich viel Kunstaufträge haben Daemen also erreicht. Jetzt malt der gelernte Steinbildhauer Kamele auf Beton. Oder auch mal ein Dante-Zitat auf blauen Grund. Kunst am Bau, wie eh und je. Aber in diesem Fall kostenlos.

Volker Bauermeister

 
 
     
     
     
   

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